06.10.2020

 

Chancengerechtigkeit durch Digitalisierung?

Unterstützung durch das kommunale Bildungsmonitoring

 

Digitalisierung in der Bildungslandschaft

Nicht zuletzt durch die Schließungen der Bildungseinrichtungen im Frühjahr 2020 ist die Notwendigkeit zur „Digitalisierung von Bildung“ in aller Munde. Mitte September 2020 lud die Bundeskanzlerin zum Bildungsgipfel, um Digitalisierung in der Bildung – vorrangig in den allgemeinbildenden Schulen – mit den Kultusminister*innen zu diskutieren. Bereits im Mai 2019 wurde der DigitalPakt Schule beschlossen. Vordergründig werden häufig Ausstattungsfragen diskutiert, die in der Öffentlichkeit von mahnenden Stimmen flankiert werden: Nicht nur Ausstattung und Infrastruktur seien zu beachten, sondern auch die Qualifizierung des Personals und die medienpädagogischen Konzepte. Internationale Studien geben Deutschland schlechte Noten im Bereich „Digitale Bildung“. Sowohl Ausstattung als auch Konzepte seien nicht ausreichend.

 

Das Thema scheint so aktuell wie nie zuvor. Doch was meinen wir eigentlich, wenn wir von „digitaler Bildung“ sprechen? Welche Aspekte gilt es zu betrachten und was ist eigentlich das Ziel „digitaler Bildung“? Welche Rolle kann das Datenbasierte Kommunale Bildungsmanagement einnehmen? Wie können Erkenntnisse zur digitalen Bildung aufbereitet und kommuniziert werden, um eine „digitale Bildungslandschaft“ aufzubauen und zu steuern?

 

Im Sinne des Lebenslangen Lernens soll Bildung dazu dienen, allen Menschen die Chance zur persönlichen, ihren Begabungen entsprechenden beruflichen und gesellschaftlichen Teilhabe zu ermöglichen. Diesem Ziel dient das Datenbasierte Kommunale Bildungsmanagement. Die Digitalisierung ist im Leben aller Bürger*innen angekommen, sie betrifft das Privatleben, das berufliche und öffentliche Leben. Digitalisierung betrifft alle Lebensphasen und somit auch alle Bildungsphasen im Sinne des Lebenslangen Lernens.

 

Mehr Chancengerechtigkeit durch Digitalisierung?

Immer wieder stellt sich die Frage, ob die Digitalisierung der Bildungslandschaft auch Auswirkungen auf die Chancengerechtigkeit in der Bildung hat. Die Schulschließungen und die Bemühungen, Unterricht digital durchzuführen, haben deutlich gemacht, dass in den Fragen des gerechten Zugangs zu Endgeräten und zu ausreichender Bandbreite des Internets sowie bei den digitalen Kompetenzen der Lehrenden Nachholbedarf bestehen. Die Digitalisierung von Bildungseinrichtungen soll schließlich kein Selbstzweck sein; die digitalen Medien sollen gewinnbringend eingesetzt werden.

 

Nach Befragungen von Lehrkräften kann angenommen werden, dass digitale Medien zunächst einmal die Lernmotivation erhöhen. Eine Verbesserung des Lernerfolgs durch mehr Technik konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.[1] Auch die Frage, ob durch eine Individualisierung und Personalisierung der Lernprozesse die Chancengerechtigkeit erhöht werden kann, erfordert eine differenziertere Betrachtung. Die Gefahr besteht dabei, dass beispielsweise Unterschiede im Lerntempo verfestigt werden. Dies gilt zumindest für die Messung des Lernerfolgs im traditionellen Sinn. Aber sicher ist: „Sich in einer digitalisierten Gesellschaft zurechtzufinden, an dieser teilzuhaben und die eigene Biografie zu gestalten, wird künftig entscheidend von digitalen Kompetenzen abhängen“.[2]

 

Der Einsatz digitaler Formate im Schulunterricht sowie in weiteren Bildungsinstitutionen ist demnach für eine zukunftsfähige Ausbildung unumgänglich. Die Befähigung zum kollaborativen Arbeiten oder zur kritischen Reflexion von Medien können damit besser gefördert werden. Ein umfassendes Medienkonzept sollte daher die eingesetzten Medien mit den Lerninhalten im Einklang bringen sowie Fragen der technischen Ausstattung und der Qualifizierung des Lehrpersonals verknüpfen.

 

Ein solches Konzept nur auf die Schule zu beziehen, greift aber zu kurz. Die Frage, ob digitale Medien bereits in der Frühkindlichen Bildung eingesetzt werden sollen, ist sehr umstritten; insbesondere die Eltern und das pädagogische Personal haben große Vorbehalte dagegen.[3] In der Berufs- und Weiterbildung hingegen wird die Vermittlung digitaler Fähigkeiten an Bedeutung gewinnen und digitale Medien können auch beim standortunabhänigigen Lernen eine größere Rolle spielen. Gerade für Lernende in ländlichen Gebieten und Personen, die nur eingeschränkt mobil sind, kann der Wegfall weiter Wege zur Bildungseinrichtung eine Erleichterung sein und damit eine Angleichung des gerechten Zugangs zu Bildung herstellen. Voraussetzung hierbei ist allerdings ein flächendeckender Ausbau des schnellen Internets, der ausgerechnet in dünn besiedelten Regionen oft am langsamsten vorankommt.

 

Digitale Medien spielen in der Freizeitgestaltung inzwischen eine große Rolle, ob sie in der Freizeit aber auch zur Information und Bildung genutzt werden, hängt wesentlich z.B. von der sozialen Herkunft oder dem Alter der Nutzer*innen ab. Auch deshalb scheint der Einsatz in der formalisierten Bildung zur Schaffung eines gerechten Zugangs zu digitalen Lerninhalten förderlich.

 

Es existieren bereits gut durchdachte und innovative Formate – bisher allerdings meist für einzelne Institutionen, die nun für einen flächendeckenden Einsatz ausgewertet werden müssen.

 

Die Digitalisierung der Bildungslandschaft kann viele positive Auswirkungen haben. Um diese zu nutzen, werden umfassende Konzepte benötigt. Landkreise und kreisfreie Städte haben dabei zahlreiche Möglichkeiten, wirksam zu werden, sei es bei der passgenauen technischen Ausstattung von Schulen, bei der Gestaltung der Lerninhalte besonders von Kitas und der VHS, bei der Qualifizierung des pädagogischen Personals oder bei Fragen der Aus- und Weiterbildung.

 

 

Was kann das Bildungsmonitoring beitragen?

Das Querschnittsthema „Digitalisierung“ wurde bisher eher selten umfassend im Rahmen eines kommunalen Bildungsmonitorings betrachtet, auch wenn Kommunen einige Möglichkeiten haben, auch in diesem Bereich die kommunale Bildungslandschaft zu gestalten und deren Entwicklung zu unterstützen. Die verfügbare und zugängliche Datenlage hingegen ist noch ausbaufähig, häufig sind vor allem Informationen zu Rahmenbedingungen vorzufinden, wie zum Fortschritt des Breitbandausbaus, zur Ausstattung an Schulen, zur demografischen Entwicklung.

 

Studien zu Kompetenzmessungen sind in der Regel nicht auf die kommunale Ebene herunterzubrechen und können so nur vage Anhaltspunkte für die Entwicklungen in der Kommune liefern. Die aktuelle krisenhafte Situation bedingt durch die Corona-Pandemie lässt einen Digitalisierungsschub vermuten, eine höhere Nutzungshäufigkeit und vielleicht auch steigende Kompetenzen sind zu erwarten. Doch Fragen nach verbesserter Bildungsqualität und -ergebnissen durch die Nutzung digitaler Medien sind auch mit aktuellen Forschungsergebnissen nicht zu beantworten.

 

Das kommunale Bildungsmonitoring ist somit auf die Entwicklung eigener Fragestellungen zu den kommunalen Problemlagen angewiesen, um eine angemessene Informationslage für kommunale Entscheidungen zur Gestaltung einer digitalisierten Bildungslandschaft zu schaffen. Für die Entwicklung einer eigenen Herangehensweise kann es lohnenswert sein, die Aufbereitung und Strukturierung des Themas „Bildung in einer digitalisierten Welt“ aus dem nationalen Bildungsbericht 2020 als Anregung zu nehmen.[4] Neben Informationen zu Rahmenbedingungen der Nutzung digitaler Medien, sind ebenso Fragen der Nutzungsformen vorhandener digitaler Medien als gewinnbringend einzuschätzen. Werden sie zu organisatorischen Zwecken in Bildungseinrichtungen genutzt? Sind sie als Lehr- und Lernmittel, als Lernwerkzeug und/ oder als Lerngegenstand im Einsatz? Und wenn nicht, welche Gründe lassen sich finden?

 

Das kommunale Bildungsmonitoring bietet die Chance, mit einer Ist-Stand-Analyse geeignete und passgenaue Konzepte zu entwickeln, die den Zusammenhängen zwischen den Bildungsbereichen Rechnung tragen. Auf dieser Grundlage können spezifische Problemlagen erkannt und kommunale Fragestellungen bearbeitet werden. Die Maßnahmen können gezielt ausgesteuert und kontinuierlich gemonitort werden. Kurzfristig sind sicherlich Fragestellungen der Infrastruktur und Ausstattung vordergründig. Mittelfristig kann das kommunale Bildungsmonitoring eine datenbasierte Grundlage zur Diskussion von Bildungsqualität und Zielen der Kommune unterstützen, die abgestimmt auf die regionalen Herausforderungen ist.

 

Ein kommunales Ziel in der aktuellen Situation könnte sein, den Schwung aus den rasanten Entwicklungen in Ausstattungs- und Nutzungsfragen von digitalen Medien in den Bildungsangeboten einer kommunalen Bildungslandschaft zu erhalten und zu nutzen, um auf eine Qualitätssteigerung in der Bildung hinzuwirken.

 

[1] Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2020, S. 270.

[2] Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2020 kompakt, S. 16.

[3] Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2020, S. 254f.

[4] ebd., S. 231-302.