Mai 2021

 

Integration durch Bildung

Auch nach der BMBF-Förderung wird die Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte fortgesetzt

 

Das erste Teilprogramm der „Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement“ wurde im März 2021 bei der Bundeskonferenz offiziell aus der Förderung verabschiedet. Deutschlandweit haben seit 2016 mit der Veröffentlichung der Richtlinie der „Kommunalen Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ über 80% aller Landkreise und kreisfreien Städte die Möglichkeit wahrgenommen, über die Förderung von Bildungskoordinator*innen Strukturen zur Integration Neuzugewanderter vor Ort auf- und auszubauen.

 

Dazu identifizierte das BMBF vier Kernaufgaben der Bildungskoordinator*innen:

  1. Aufbau kommunaler Koordinierungsstrukturen und -gremien
  2. Identifizierung und Einbindung der relevanten Bildungsakteure innerhalb und außerhalb der Kommunalverwaltung
  3. Herstellung von Transparenz über vor Ort tätige Bildungsakteure sowie vorhandene Bildungsangebote
  4. Beratung von Entscheidungsinstanzen der Kommune

 

Die Herausforderungen vor Ort waren dabei sehr unterschiedlich, entsprechend groß ist die Vielfalt der Arbeitsansätze der Kommunen. Diese hat das BMBF gemeinsam mit den Transferagenturen und dem DLR-Projektträger anhand exemplarischer Praxisberichte aus dem ganzen Bundesgebiet in einer Broschüre zusammengestellt. Auch drei Kommunen, die eine Zielvereinbarung mit der Transferagentur Brandenburg haben – die Stadt Cottbus sowie die Landkreise Oberhavel und Ludwigslust-Parchim -, konnten ihre erfolgreiche Arbeit über das Ende der Förderung hinaus in der Broschüre „Bildung vernetzt. Integration gestärkt.“ darstellen.

 

Verstetigung im Landkreis Elbe-Elster

Im Landkreis Elbe-Elster wird die Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote nun als Regelstelle langfristig weitergeführt. Wir haben mit Bildungskoordinatorin Stefanie Roth gesprochen, welche Aufgaben nun fortgeführt werden:

 

Frau Roth, Sie sind nun unbefristet als Kommunale Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte tätig. Wie kam es dazu?

Die Stelle der Bildungskoordination wurde in unserem Landkreis verstetigt, weil sie auch weiterhin notwendig ist. Dabei wurden alle Aspekte der Förderrichtlinie in die verstetigte Stelle übernommen. Zum Aufgabenspektrum gehört auch das Forcieren und Begleiten weiterer Maßnahmen und Projekte zur Integration, um den Ansatz „lebenslanges Lernen – formal und non-formal“ zu unterstützen. Dies beinhaltet u.a. eine enge Zusammenarbeit mit den Partnern in der Integrationsarbeit zur Entwicklung von Projekten, die fortwährende Recherche nach Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Evaluation dieser Projekte. Hierzu gehört u.a. die regionale Umsetzung der Förderrichtlinien „Integrationsbudget“ des MSGIV und „Regionalbudget“ des Bündnisses für Brandenburg.

 

Was waren die Schwerpunkte der Umsetzung in Elbe-Elster?

Im Landkreis Elbe-Elster haben wir im Antrag vier Säulen beschrieben, welche die Arbeit der Bildungskoordination strukturiert. Die erste Säule beschreibt die „Vernetzung, Steuerung, Schnittstellen“ – darunter fällt die Gremien- und Netzwerkarbeit. In der Bildungskoordination wurde ich in die Gremien des kommunalen Bildungsmanagements, bspw. dem kommunalen Steuerkreis, eingebunden. Das datengesteuerte kommunale Bildungsmanagement entstand durch das Bundesprogramm „Lernen vor Ort“ und ist in der Stabsstelle Strategie, Prävention und Netzwerke im dort angesiedelten Bildungsbüro verstetigt. Beim Aufbau der Netzwerkstruktur im Projekt konnte ich auf dieser bestehenden Struktur aufbauen. Die zweite Säule ist die Sprachliche Integration: Hier gründeten wir das Netzwerk Sprache und Integration, welches unter anderem auf die Abstimmung zur Verteilung der Sprachkurse und Teilnehmer*innen abzielt. Das Netzwerk hat sich hervorragend etabliert und die Abstimmung mit den Partnern hat sehr gut funktioniert – das ist unser Leuchtturm, über den wir uns freuen. Im Bereich der Integration in Kita, Schule und Arbeitsmarkt haben wir auch Vieles erreichen können: Es wurden Kiez-Kitas ins Leben gerufen, die durch eine Förderung mit zusätzlichem Personal und Finanzmitteln ausgestattet werden konnten, um ein lernförderliches Klima zu schaffen und Bildungsanregungen zu ermöglichen. In dieser Säule haben wir auch die BFS-G-Plus-Netzwerkrunde ins Leben gerufen und eng zusammengearbeitet. Die letzte Säule bildet die Soziokulturelle Integration, hierzu zählte für uns beispielsweise die Koordination der Ehrenamtlichen. In der Corona-Krise hat der Migrantenverein WELT e.V. mit Unterstützung durch den Landkreis eine Unterstützung für Familien mit Migrationshintergrund aufbauen können, um sie bei den Herausforderungen im Homeschooling zu unterstützen.

 

Wie ist es dem Landkreis gelungen, die Bildungskoordination so erfolgreich umzusetzen und auf Dauer zu stellen?

Aus meiner Sicht gibt es drei Gelingensbedingungen: Erstens war dies bei uns die außerordentlich gute Netzwerkarbeit, wir haben sowohl verwaltungsintern als auch mit Akteuren außerhalb der Kommunalverwaltung sehr gut zusammengearbeitet. Zweitens sehe ich auch die Ansiedlung innerhalb der Verwaltung als förderlichen Faktor. Die Stelle ist im Sozialamt beim Sachgebiet Integration und Asylleistungen angesiedelt und arbeitet eng mit dem Bildungsbüro zusammen. Die Koordinierungsstelle ist immer wieder aktiv auf interne und externe Kooperationspartner zugegangen. Dadurch konnten Bedarfe und Themen identifiziert werden und mit gelingender Kommunikation zielführend mit den Partnern Lösungen und Produkte erarbeitet werden. Eine dritte Gelingensbedingung ist aus meiner Sicht, dass es das Bildungsbüro vorher bereits gab. An die etablierte Struktur des kommunalen Bildungsmanagements konnte ich als Bildungskoordinatorin anknüpfen und diese themenspezifisch ausbauen. Die Arbeitsergebnisse aus der Zeit der Förderung haben dazu beigetragen, dass die Verwaltungsleitung der Empfehlung des Fachbereichs zur Weiterführung gefolgt ist, wodurch die Verstetigung der Stelle möglich wurde.

 

Vielen Dank für die Bereitschaf zu diesem Interview! Wir wünschen Ihnen weiterhin gutes Gelingen Ihrer Arbeit.

 

Weitere Umsetzung in Brandenburg

In Brandenburg haben 15 von 18 Landkreisen und kreisfreien Städten mindestens eine Förderperiode des Programms umgesetzt und auch hier waren die Rahmenbedingungen und Herausforderungen vor Ort divers, sodass die Kommunen unterschiedliche Schwerpunkte für ihre Arbeit wählten. Ein Schwerpunkt in allen Kommunen war die Koordinierung der Bildungsangebote und -akteure: Dazu haben die Koordinator*innen Netzwerkarbeit geleistet und Gremien gegründet oder erweitert, um verwaltungsintern wie -extern mit den für die Integration Neuzugewanderter wichtigen Akteuren zu kooperieren. Einige Bildungskoordinator*innen konnten auf Gremien und Netzwerkstrukturen aufbauen, die aufgrund anderer Förderprogramme wie beispielsweise „Bildung integriert“ bereits vorhanden waren. Andere haben die Akteurslandschaft analysiert und die wichtigen Akteure identifiziert sowie Gremien themen- und bedarfsspezifisch neu aufgebaut.

 

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Bildungskoordinator*innen in Brandenburg lag darin, die Vielfalt der Bildungsakteure im Bereich der Integration Neuzugewanderter für die Zielgruppe sichtbar zu machen. Hierfür wählten sie jeweils unterschiedliche Herangehensweisen: Einige erstellten und druckten Broschüren, in denen die Bildungsangebote über das Spektrum des Lebenslangen Lernens sowie die Ansprechpersonen aufgeführt waren. Solche Broschüren wurden an Beratungsstellen und in Orten verteilt, an denen Neuzugewanderte selbst Zugriff auf die Broschüren hatten und mitnehmen konnten. Andere Kommunale Bildungskoordinator*innen wählten für die Schaffung von Transparenz eine interne Lösung und bereiteten die Übersicht über Bildungsangebote ausschließlich für die professionelle Nutzung auf. Beide Ansätze für einen Überblick über die Bildungslandschaft für Neuzugewanderte waren für die Kommunen ein wichtiger Schritt für die Weiterarbeit im Bereich der Integration in und durch Bildung. Der Überblick über Angebote und Anbieter ermöglichte eine Verbesserung der Beratungsqualität in der Kommune und den Zugang Neuzugewanderter zum Angebot.

 

Themenschwerpunkte

Ein zentrales Thema für die Kommunale Bildungskoordination war die Sprachförderung von Neuzugewanderten, da Sprache ein zentrales Element zur Integration darstellt. So zielen viele der Netzwerke auf die Koordination der Angebote im Bereich Sprachförderung für Neuzugewanderte ab. Die Koordinator*innen stehen in diesem Feld – auch heute noch – vor der Herausforderung, dass Neuzugewanderte für Sprachkurse je nach Herkunftsland und Aufenthaltsstatus zugelassen werden. Hinzu kommt, dass eine trägerübergreifende Abstimmung sinnvoll ist, um einerseits allen Zugewanderten schnell einen Platz im Sprachkurs anbieten zu können und andererseits eine gerechte Aufteilung der Teilnehmenden für die Träger der Sprachkurse erreicht wird, sodass alle ihr Kursangebot durchführen können.

 

Daneben legten viele Koordinator*innen einen Fokus auf die Bildungsübergänge, da diese für alle Lernenden die Weichen für zukünftige Chancen stellen, wobei die Kommunen besonders beim Übergang in die Grundschule sowie dem in den Beruf weitreichende Steuerungsmöglichkeiten haben. Gerade der Übergang in den Beruf bringt viele Herausforderungen mit sich, denn dieser betrifft neuzugewanderte Jugendliche, deren Bildungsverlauf häufig unstet ist. Häufig verlassen die Jugendlichen aber die speziell für sie eingerichteten BFS-G-Plus-Klassen mit für den Arbeitsmarkt unzureichenden Sprachkenntnissen oder ganz ohne Abschluss. Hier entwickelten die Bildungskoordinator*innen in ihrem Kommunen je unterschiedliche Lösungen: Zum Teil wurden begleitend zur Schule zusätzliche Sprachkurse angeboten, zum Teil wurden ausbildungsbegleitend Sprachkurse ermöglicht, andere erstellten Schemata für Beratungsstellen, die die Bildungsmöglichkeiten am Übergang Schule-Beruf transparent machten und den Übergang erleichterten.

 

So unterschiedlich wie die Programmumsetzung waren auch die Ansätze der Verstetigung der geleisteten Arbeit. Die wissenschaftliche Begleitung des Förderprogramms (s. Broschüre „Bildung vernetzt. Integration gestärkt.“, S. 44 f.) hat zwei Möglichkeiten identifiziert: zum einen die Verstetigung von Strukturen und Prozessen und zum anderen die Verstetigung von Produkten. Beides können wir in Brandenburg beobachten: Manche Produkte der kommunalen Bildungskoordination wie beispielsweise Newsletter oder Angebotsübersichten werden von anderen Stellen der Kommunalverwaltung übernommen. In anderen Landkreisen oder kreisfreien Städten werden Strukturen und Prozesse wie beispielsweise die Netzwerke zur sprachlichen Integration auf Dauer weitergeführt.

 

 

 

 

Eva Kese, Projektleiterin bei „Über den Tellerrand e.V.“ Berlin, Referentin der 6. Plattform Integration der Transferagentur Brandenburg

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